Wahlbeteiligung bei Europawahlen

Bei der Europawahl 2014 erfuhr die Wahlbeteiligung wieder eine sehr hohe Aufmerksamkeit. Wie bereits früher von der Forschungsgruppe Wahlen, 2005 von Dieter Roth und mir sowie 2009 von Markus Tausendpfund und mir gezeigt werden konnte, gibt es zwei strukturelle Elemente, die in Deutschland einen signifikanten Einfluß auf die Beteiligung an Europawahlen haben: der Landesteil (West oder Ost) und ob gleichzeitig mit der Europawahl noch eine weitere Wahl in einem Bundesland stattfindet.

Am Europawahltag 2014 fanden in drei Bundesländern mehr als noch 2009 Kommunalwahlen statt (NRW, Brandenburg, Hamburg). Damit war klar, dass es aus struktureller Sicht 2014 eine höhere Chance auf eine stabile oder sogar höhere Wahlbeteiligung als 2009 gibt. Vor allem die Tatsache, dass erstmals in sämtlichen östlichen Bundesländern am Europawahtag auch Kommunalwahlen stattfanden, war vorteilhaft für die Beteiligung an der Europawahl.

Wie die Tabelle zeigt, besteht zum einen ein Unterschied im Beteiligungsniveau zwischen Ost und West. Wenn noch eine andere, vermeintlich wichtigere Wahl (Kommune oder Bundesland) stattfindet, dann lag die Wahlbeteiligung bislang bis zu 27 Prozentpunkte höher. Bei der Europawahl 2014 zeigt sich allerdings ein deutlich schwächerer Zusammenhang der Wahlbeteiligung mit diesen beiden bislang erklärungskräftigen strukturellen Faktoren. Die Beteiligung in den Ostländern (mit Kommunalwahl) lag gerade einmal 4,2 Prozentpunkte unter derjenigen im Westen (mit Kommunalwahl). Und auch im Westen betrug die Wahlbeteiligungsdifferenz zwischen Bundesländern mit und ohne Kommunalwahlen nur noch 8,5 Prozentpunkte.

Diese Ergebnisse sind ein Indiz dafür, dass es 2014 einen generellen Trend zu einer höheren Wahlbeteiligung gab und dadurch die Beteiligungslücke kleiner wurde. Zwei mögliche Erklärungen hierfür sind, dass es erstmals einen in der Öffentlichkeit ausgetragenen Wettstreit von Spitzenkandidaten um das Amt des Kommissionspräsidenten gab, und dass etliche nicht etablierte Parteien, allen voran die AfD, durch den Wegfall der Sperrklausel (5%-Hürde) 2014 eine höhere Chance auf einen Einzug ins Europaparlament hatten als 2009. Beide Faktoren dürften mobilisiert haben.

Der Bedeutungsverlust struktureller Erklärungen für Wahlbeteiligungsunterschiede lenkt die Aufmerksamkeit stärker auf Erklärungen auf persönlicher Ebene: Dass viele individuelle Faktoren die Beteiligung an Wahlen – und damit auch bei der Europawahl – beeinflussen, hat Heiko Giebler kürzlich ausführlicher für den deutschen Fall dargestellt und diskutiert. Detaillierte Analysen für 2014 stehen noch aus.